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Märkische Oderzeitung, 24. März 2009
Inspiration Lindenstraße

Mit Ölkreide, Acrylfarbe und skurrilem Witz bringt Meinhard Bärmich den Zustand der Welt in eine besser erträgliche Form. Noch diese Woche ist der Künstler an der Oder zu Gast.

Auf der mit Packpapier abgeklebten Arbeitsplatte stehen akkurat sortierte Blechdosen voller gespitzter Buntstifte, schwarze Fineliner warten nach Stärke geordnet in Ledermäppchen: Man könnte vermuten, dass in der Galerie B ein Ordnungsfanatiker zu Gast ist. Auf dem Boden liegt dagegen die andere Seite von Meinhard Bärmich - knallbunte Skizzen von vogelartigen Tieren und Monstern, die an Kinderzeichnungen erinnern, gemalt auf der Rückseite von ausgedruckten Wegbeschreibungen.

"So räum' ich auf", sagt der 57-Jährige mit den lustigen braunen Augen und dem dichten Vollbart,"die Eindrücke rauschen vorbei und indem ich sie aufs Papier zwinge,

Foto: Michael Benk

ordne ich das Chaos." Viele Motive kehrten immer wieder, fast wie in Alpträumen. "Durch das Zeichnen verwandeln sie sich dann irgendwann in etwas Heiteres."

Derart Verwandeltes hängt noch bis Freitag an den Wänden der Galerie B: Eine Frau, die ihren Gatten unter den Arm klemmt ("Mein Mann"), zwei Könige, die sich mit ihren spitzen Nasen durchbohren (Plakat zu "Heinrich der Fünfte"), verliebte Katzen, ein gepanzerter Mann mit Krallen.

Der Cottbuser Künstler ist seit dem 10. März in der Reihe "Regenerativverfahren" in der Galerie zu Gast und hat sich Frankfurt als erstes von oben angesehen. "Vom Oderturm aus sieht die Stadt aus wie eine Spielzeugwelt, am liebsten würde man die Autos hin- und herschieben." Irgendetwas wird aus dieser Erfahrung entstehen, das weiß er schon, vielleicht noch während des Ausflugs an die Oder, vielleicht später. "Ich hab so viele Ideen, das werd ich hier gar nicht alles schaffen", sagt er.

Allein schon der Ausblick von seinem Atelier-auf-Zeit auf die Lindenstraße biete reichlich Augennahrung. Die Frankfurter gefallen ihm, viele guckten erst neugierig durchs Fenster und ließen sich dann hereinwinken. Aber auch den Mann mit großem Hund, der ihm am ersten Tag barsch sagte, "an Kunst habe ich absolut kein Interesse", fand Bärmich sympathisch: "Das ist doch ehrlich, damit kann ich leben."

Eindrücke zu verwandeln, ist das tägliche Brot des Grafikers, der nach einer Lehre als Gebrauchswerber ein Abendstudium an der Kunsthochschule Dresden dranhängte. Es ist ihm aber auch Bedürfnis, "weil der Zustand der Welt ohne Ventil kaum erträglich" wäre. Heraus kommen dann oft satirische Zeichnungen, Arbeiten, die leicht aussehen und doch in die Tiefe gehen. Ein graues Notizbuch hilft dem Frühaufsteher und bekennenden Mittagschläfer beim Festhalten und Erinnern.

In der Kladde steckt bereits etliches Material aus Frankfurt. Die Kirchen hat er sich angesehen, das Kleist-Museum und durch Slubice ist er geschlendert. Vor allem auf die Grenzlage der Stadt war Bärmich bei seiner Bewerbung gespannt - "und ich hör gern Polnisch, ich finde das ist eine höchst erotische Sprache", sagt er.

Wer sich von ihm hereinwinken lässt, der sieht vor allem Ausschnitte aus dem schöngeistigen Schaffen - seine Arbeit umfasst aber auch Auftragsgrafik wie Aufkleber für eine Backwarenkette, Briefmarken und Pictogramme für Behörden oder Wanderwege. Ganz unterschiedlich auch die künstlerische Herangehensweise - klarer Strich in Schwarz-Weiß bei der Illustration zu Jules Vernes "Die seltsamen Leiden des Kin-Fo"; fließend, fast naiv die Acryllandschaft "Weites Land". Ein Widerspruch sind das "Graubrot Grafikdesign" und die freie Kunst für Bärmich nicht, sondern schlicht verschiedene Teile seiner Arbeit als Künstler, die er schon lange vor der Wende freischaffend betrieb. Etliche Jahre hat er für die Bühnen Cottbus und Senftenberg Theaterplakate gestaltet, eine Arbeit, die ihm großen Spaß gemacht hat, "weil im Theater alles möglich ist." Auch am Format Kinderbuch reizt den Vater dreier Kinder das Ineinanderfließen von Realität und Fiktion.

Am Donnerstagabend stellt der Künstler seine in Frankfurt entstandenenen Werke vor. Und vielleicht auch einiges, das bislang noch in der grauen Kladde auf mehr Zeit wartet.

Finissage: Donnerstag, 19.30 Uhr, Galerie B, geöffnet täglich 14-18 Uhr, Schau endet am Freitag

Von Antje Scherer

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