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Neues Deutschland, 10. Juni 2009
Beliebig ist anders

Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus: Kritischer Bildwitz

Von Harald Kretzschmar

Endlich gibt es mal eine Plakatausstellung mit Hand und Fuß, sprich mit Pfiff und Geist. Humor ist angesagt. Und da wird nicht zu viel versprochen. Ja, es wird im Doppelpack gleich handfeste Satire mitgeliefert. Plakate, die vom Einerlei der gemeinhin denkbar platten Werbeideologie mit ihrer vermanschten Ästhetik abweichen, können ja gar nichts anderes als geistreich sein. Diese Rufer in der Wüste oder Wegweiser im Chaos brauchen mal einen Treffpunkt. Was kaum jemand weiß: Die in Cottbus ansässige Brandenburgische Kunststiftung beherbergt eine bemerkenswert reichhaltige Sammlung beachtlicher Plakate.

Und das Gute ist, sie tut eine Menge dafür. Sie unterhält Kontakte in alle Welt, und die Designer der optischen Großfläche wissen den Platz zu schätzen. In den hohen Hallen des jüngst umgestalteten ehemaligen Dieselkraftwerks nun gibt es die Raumweite, in der sich das Medium optimal entfalten kann. Für etwa aufkommendes Gelächter ist die Akustik gut, man hat genug Auslauf und Abstand für die dynamische Wahrnehmung. Wer noch nicht zu sehr vernagelt ist, bemerkt unschwer – hier waltet eine undogmatisch variable Ausdrucksweise, die vom platten Fotorealismus so weit entfernt ist wie von blutleerer Konstruktion. Bildsprache wird als universelles Verständigungsmittel vom Wortwitz pointiert, also auf den Punkt gebracht. Unkonventionell und kreativ. Innovativ und anregend. Eigentlich schade, dass es völlig aus der Mode gekommen ist, sich so etwas als Poster in die gute Stube zu hängen.

Wenn Plakate so voller Bildmetaphern sind wie hier, dann sind sie eine ernst zu nehmende Konkurrenz für eine Karikatur, die zur Zeit allzu oft lediglich Wortwitze illustriert und in Zeichenstruktur und Farbgebung immer stilloser wird. Diese wahrlich weltweit orientierende Schau ist eine einzige Kampfansage an jene geisttötende grellbunte Beliebigkeit, die kaum noch ein Buch oder eine Zeitung oder sonst eine Drucksache verschont. Die nun schon Jahrzehnte von Leipzig oder Gera, von Cottbus oder Halle oder eben dem vergangenen Ost-Berlin aus wirkenden Plakatschöpfer sind mit den von ihnen aufs global Gültige hin entwickelten Stilmitteln immer wieder up to date. Die Namen Bärmich, Brade, Büttner, Butzmann, Feuchtenberger, Fiedler, Grüttner, Herfurth, Müller, Pfüller, Wagenbreth stehen im Kontext mit einer Elite – da gibt es gar keinen Zweifel.

Wir sehen 160 Plakate aus 20 Ländern. Formale Größen und inhaltliche Schwerpunkte sind variabel. Kuratorin und gleichzeitig Sammlungschefin Barbara Martin hat ein Kunststück fertiggebracht, um das sie selbst renommierte Plakatwettbewerbe beneiden dürfen: Sie hat die Themenbereiche Politik, Umwelt, Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Kunst mustergültig ausbalanciert. Die Vorherrschaft des Kulturplakates ist offenbar Vergangenheit. Mit dem traurigen Beigeschmack, dass offenbar das Filmplakat, das den Namen verdient, nunmehr mausetot ist. Was dagegen in dieser Ausstellung einerseits an origineller Produktwerbung und andererseits an brillant scharfer politischer Satire geboten wird, ist absolute Spitze. Ein kleiner Einwand nur, was die Hängung betrifft: Ein auf weißem Grund gestaltetes Plakat (und davon gibt es viele) braucht einen Rand, wenn es auf der weißen Wand noch ein Format haben will.

Erfreulich, wie viele unbekanntere Namen nun neben die lange schon geläufigen gestellt werden können. So müssen wir uns unbedingt die Polin Elsbieta Chojna oder den Deutschen Fons Matthias Hickmann neben dem Amerikaner Lanny Sommese oder dem russischen Ehepaar Faldin merken. Lange schon anerkannte Matadore wie Kari Piippo oder Stefan Orosz, Michel Bouvet oder Stefan Bundy beweisen immer aufs Neue Einfallsreichtum und Gestaltungskraft. Bei den wenigen nunmehr bereits verstorbenen Großen der Plakatkunst fehlt leider unser Manfred Bofinger. Die grundsolide Kataloggestaltung durch Andreas Wallat (wallat & knauth) ist überzeugend im Verzicht auf modischen Schnickschnack. Zweisprachig gleich international, heißt hier die Devise. Es gibt also keinen Hinderungsgrund für eine breite Ausstrahlung dieses Projekts.

Wesentlich ist diese Übersicht gerade im Hinblick auf einen Begriff von Weltkunst, der verloren zu gehen scheint. Hinter dem Nebelvorhang einer in erster Linie von kruden Geschäftemachern manipulierten Globalisierung werden vielfältig unterschiedliche Kulturen bis zur Unkenntlichkeit verdrängt. Da sind gewitzte Leute gefragt, die das Besondere noch zu schätzen wissen. Und nicht davor zurückschrecken. Wie es der Katalog ausdrückt – vorn: »Humor!« und hinten: »hu!more?«

»Humor – Plakate aus aller Welt«, Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus. Bis 28. Juni, Di-So 10-18, Do-20 Uhr

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