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Blicklicht, 11-11
„Rote Federn auf grünem Kaktus“
der Cottbuser Grafiker Meinhard Bärmich im Gespräch
Beckergeschichten sind Lausitzer Kleinode mit hohem Suchtfaktor geschrieben vom Literaten und Schauspieler Michael Becker. Seit Oktober 2011 ist sein viertes Buch „Rote Federn auf grünem Kaktus“ auf dem deutschen Buchmarkt erhältlich. Die 12 enthaltenen „Lebensgeschichten“ wurden stilecht und anekdotenhaft illustriert vom bekannten Cottbuser Künstler Meinhard Bärmich. Einfach unkompliziert in Schwarz-Weiß begleiten gut konzipierte grafische Surrealitäten den Leser durch das Handlungsgeschehen. Ob schnurrende Katzenkissen, verirrte Hänschenkleins, siamesische Theatergestalten oder beschwipste Kopfstühle, alle Zeichnungen bestechen durch viel Phantasie, Originalität und Hingabe. Typisch Bärmich (!) möchte man sagen, wenn ein Bild schmunzelnd unterhält, zum Nachdenken oder Tagträumen einlädt, gleich auf den ersten Blick die eigene Neugier weckt und die raffinierten Details das Auge fesseln. Mit vielen Fragen und einer guten Portion Neugier im Gepäck treffe ich mich an einem kalten grauen Oktobertag mit dem Cottbuser Meister der Illustrationen auf eine Tasse Tee in seinem Ströbitzer Atelier. Freundlich und warmherzig bittet Meinhard Bärmich mich herein. Sein Atelier birgt wahre Schätze, große farbenfrohe Bilder füllen schmückend die Wände, von Plakaten bis Postkarten trägt alles seine künstlerische Handschrift, auf dem Arbeitstisch ein kleines Meer an Skizzen und Ideen. Zwischen einer Büchervitrine voller Geschichten hinter Glas und einem Steingarten auf dem Fensterbrett steht ein kleiner Tisch an dem ich gerne Platz nehme.

Zwei Tassen Pfefferminztee dampfen verträumt vor sich hin während wir uns über das frisch erschienene Buch „Rote Federn auf grünem Kaktus“, die kreative Arbeit und die Geschichten hinter den Geschichten unterhalten.Was bedeuten Bücher und deren Geschichten für dich? Sie sind wichtig, es heißt ja auch: „Am Anfang war das Wort“. Sie speichern das Leben und Wissen von Generationen. Vor allem mag Meinhard Bärmich Bücher zum Anfassen, wie sie in der Hand liegen, wie fest sich das Papier anfühlt, schön illustriert, dabei können die Seiten auch gerne Gebrauchsspuren zeigen, geknickte Ecken, Unterstreichungen, erfüllt mit Leben sollen sie sein und zeigen, dass sie gern benutzt wurden. Geschichten haben eine große Macht vor allem für Kinder, vorgelesen erzeugen sie phantastische Bilder im Kopf, lassen einen träumen, schützen vor der rauen Welt oder mahnen gruselnd zur Vorsicht, wie die Märchen der Gebrüder Grimm. Was macht eine gute Illustration deiner Meinung nach aus? Ein guter Illustrator ist der Schlüssel; ob Druckgrafiken, Aquarelle, Tuschezeichnungen, egal welche Technik verwendet wird, sollte vor allem die Abbildung zum Inhalt passen. Des Weiteren ist es wichtig, dass die Form den Lesern und dem Genre gerecht wird. Eine Abenteuer-geschichte für Kinder benötigt Illustrationen mit spannenden Details wie ein Piratenschiff mit Planke, eine Crew mit Holzbein und Augenklappe. Das richtige Gefühl zu vermitteln ist entscheidend. Die Abbildungen sollten durchs Buch begleiten, wie ein roter Faden und natürlich die persönliche Handschrift des Grafikers wiedergeben. Hast du das fertige Bild zu einer Geschichte bereits im Kopf wenn du sie liest? Meist reicht eine Zeile oder ein Wort, auf das man anspringt - erklärt Meinhard Bärmich und zeigt mir seinen Buchrohling zu „Rote Federn auf grünem Kaktus“, einige Zeilen sind markiert, angestrichen, eingekreist. Eine Zeichnung und kleine Notizen füllen die gegenüberliegende Leerseite. Es ist ihm wichtig die leeren Seiten zu füllen, direkt im Buch zu malen. Manchmal ergibt sich das Bild im Kopf auch nicht sofort, dann philosophiert er, stellt ungewöhnliche Fragen oder fährt mit dem Fahrrad ein Stück, dabei erlebt er oft alltägliche Dinge, die ihn inspirieren können und hält sie in einem kleinen Büchlein als Skizze oder Randbemerkung fest. Mir persönlich hat die Idee vom schnurrenden Couch-Kater mit der Mäusebildersammlung an der Wand unglaublich gut gefallen. Spielst du gern mit Gegensätzen um Spannung zu erzeugen?

Wenn zwei Sachen losgelöst voneinander betrachtet werden, ergibt sich manchmal ein ungewollt schöner Zusammenhang oder ein unfreiwilliger Humor, wie bei doppeldeutigen Sätzen oder Wortspielen. Bei Karikaturen kommen Dinge oft zusammen, die normalerweise nicht zusammen passen, das macht die Komik aus.
Nach all der Arbeit an dem Buch, welche Illustration ist dein Favorit? Zum einen die Theaterillustrationen, da das Theater nicht nur auf der Bühne sondern auch hinter den Kulissen so viele Geschichten erzählt und Meinhard Bärmich viele Erinnerungen aus seinem Leben damit verbindet. Zum anderen mag er den Couch-Kater, da Katzen einen wirklichen Charakter haben, man kann sie nicht dressieren, sie sind stets eigenwillig. Wenn sie schnurrend ihre Krallen ausfahren, es sich auf dem Schoß bequem machen ist das eine Mischung aus Schmerz, Wonne, Schnurren und Wärme. Außerdem sieht an Katzen alles symmetrisch und elegant aus, egal wie sie sich bewegen. Im Ausspruch „das könnte ich gewohne werden!“ passend zur Geschichte steckt viel drin, meint er, denn es ist nicht klar definiert, geheimnisvoll und doppelsinnig, passend zum Wesen der Katze. Was ist deine Lieblingsstelle im Buch?- Die Geschichte mit den Afghanen, allein schon die Namen sind interessant fremdartig, und was alles in die Limousine passt, Wildschwein, Hirsch, Gepäck, Onkel Siddig, Dame im Pelz, zwei sechzehnjährige Jungen, zwei Hunde, eine Frau und ein vierjähriger Junge. Eine verrückte Vorstellung, perfekt für einen Kurzfilm oder ein Daumenkino. Wie sieht einer deiner typischen Arbeitstage aus? Meinhard Bärmich´s Erfolgsrezept hört sich simpel an: im Atelier angekommen erstmal gegen den Computer beim Solitär gewinnen, mit der Arbeit beginnen und dabei Kulturradio hören bis es stört. Das Radio ausschalten, einen Kaffee anstellen und weiterarbeiten, so vertieft in die Arbeit sein, dass man den Kaffee vergisst, bei einer kurzen Pause einen neuen Kaffee kochen, diesen zum Arbeitsplatz mitnehmen und so beschäftigt mit der Arbeit sein, dass mindestens die Hälfte des Tasseninhaltes kalt wird... bei so viel Enthusiasmus ist der Tag schnell vorbei, aber die kreativen Gedanken nimmt er mit nach Hause, denn der Kopf steht niemals still und er will noch so vieles erreichen. -Welche Projekte planst du als nächstes?- Es ist sehr viel in Planung, weitere Buchillustrationen genauso wie Briefmarken, Wandbilder, Metallplastiken und Karikaturen, alles quer durch´s Gemüsebeet. Gibt es in Cottbus einen besonderen Ort an dem sich Kulturschaffende treffen und Ideen austauschen? Solch einen Ort gab es mal, der Blechenclub in der Bahnhofstraße, da traf man sich, redete über die Arbeit und philosophierte mit Freunden. Auch die Theaterkantine war dafür bekannt, aber die Zeiten ändern sich. Heute fehlen Anlaufstellen, wo man Bilder ausstellen oder Gedichte hören kann, sich trifft und fachsimpelt. Kleine eigene Kulturorte gibt es für Meinhard Bärmich zum Beispiel beim Tischler um die Ecke, der den Gesellen kurzerhand Gedichte vorliest oder bei seinen dkw-Kursteilnehmern, die sich gerne zum Gedankenaustausch in ihrer Freizeit treffen.Welchen kulturellen Reiz haben Lausitzer Geschichten für dich? Sie sind wichtig, wenn man hier lebt versteht man viele Erzählungen besser als ein Außenstehender. Es sind Begebenheiten aus der Region, mit denen man seinen Kindern und Enkelkindern zeigen kann wie es mal war, es sind Geschichten zum Weiterreichen und Verschenken. Auch die Mundart oder Redewendungen bleiben so erhalten, seine Oma sagte immer „Heb auf, hat was!“. Persönliche Erinnerungen sind etwas wertvolles, man kann die Zeit und die Geschehnisse bewahren, durch Fotos, Malereien und durch Worte einfangen, wie es zum Beispiel Michael Becker in seinem Buch gemacht hat und damit ein Denkmal für die „kleinen“ Leute in seiner Umgebung setzt.

Ich bedanke mich ganz herzlich für Meinhard Bärmichs Zeit. Mir hat es sehr gefallen, all die interessanten Geschichten zu hören. Ich wünsche dem Buch „Rote Federn auf grünem Kaktus“, mit den fabelhaften Illustrationen, begeisterte Leser und Betrachter.

Simone Claudia Hamm

„Rote Federn auf grünem Kaktus oder unverhofft kommt oft“

Autor: Michael Becker, Illustrator: Meinhard Bärmich

ISBN 978-3-00-035747-3

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